Geplante Flüchtlingsunterkunft an der Hofmühlstraße – Die wichtigsten Fragen

Flüchtlingsungterkunft

Am 5. März 2024 wurde 1. Bürgermeister Karl Mair von Landrat Otto Lederer informiert, dass das Landratsamt Rosenheim in der Gemeinde Stephanskirchen eine Großunterkunft für geflüchtete Personen einrichten wird und dafür die leerstehende Gewerbeimmobilie in der Hofmühlstraße 34 im Ortsteil Murnau anmietet. Der Mietvertrag des Landratsamts mit dem Grundeigentümer läuft auf 10 Jahre. In der Gemeinschaftsunterkunft sollen insgesamt bis zu 101 Personen in 36 Räumen untergebracht werden. Hinzu kommen Aufenthaltsbereiche, Gemeinschaftsküchen und Sanitärräume. In der Gemeinderatssitzung am 30. April 2024 fasste der Gemeinderat verschiedene Beschlüsse mit dem Ziel, die Großunterkunft in der Hofmühlstraße zu verhindern. Im Folgenden sollen die Hintergründe der Entscheidungen des Gemeinderats erläutert werden.

 

Warum lehnt die Gemeinde den Bau einer Großunterkunft an der Hofmühlstraße ab?

Die Gemeinde Stephanskirchen ist sich der Dringlichkeit der Flüchtlingssituation bewusst, sieht aber die Unterbringung von so vielen geflüchteten Personen an einem einzigen Standort sehr kritisch. Das Gebäude samt Grundstück ist stark gewerblich geprägt. Es gibt kaum unversiegelte Freiflächen oder Aufenthaltsbereiche im Freien. Die Wohnfläche pro Person liegt bei rund 7 Quadratmetern. Eine Integration der geflüchteten Personen wird durch die Größe der Einrichtung erschwert. Auch wären weder Nahversorgungseinrichtungen, noch Schulen und Kindergärten von der Einrichtung aus fußläufig erreichbar. In der Sitzung am 30. April 2024 beschloss der Gemeinderat mit 18:4 Stimmen die Aufstellung eines Bebauungsplans, um den Erhalt des Gewerbestandorts zu sichern und in dem die Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke ausgeschlossen wird. Der neue Bebauungsplan Nr. 78 „Murnau – Südlich der Hofmühlstraße“ umfasst die Grundstücke Hofmühlstraße 32, 34 und 38. Damit soll auch für die ehemalige Tennishalle (Hofmühlstraße 38), die derzeit als Lager genutzt wird, eine gewerbliche Nutzung langfristig gesichert werden. Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Bebauungsplans beschloss der Gemeinderat mit 18:4 Stimmen auch eine Veränderungssperre.

 

Wann könnte die Großunterkunft bezogen werden und woher kommen die Bewohner? Die Errichtung der Unterkunft hängt davon ab, ob sie mit dem beschlossenen Bebauungsplan vereinbar ist. Das Landratsamt plante bisher einen frühestmöglichen Bezug der Unterkunft im 4. Quartal 2024. Die Unterkunft würde mit Menschen verschiedener Nationalitäten belegt werden. Die häufigsten zurzeit im Landkreis neu untergebrachten Nationalitäten sind Ukraine, Afghanistan, Nigeria, Türkei, Jemen und Syrien.

 

Warum kann die Großunterkunft nicht durch den Bau von dezentralen Einrichtungen verhindert werden?

Seit der Flüchtlingskrise 2015/16 setzt die Gemeinde auf kleinteilige Konzepte und dezentrale Lösungen. Damals wurden in Holzbauweise Flüchtlingsunterkünfte mit 20 Wohneinheiten an den Standorten Högering/Högeringer Straße, Stephanskirchen/Schömeringer Straße, Eichbichl/ Mühlstraße, Westerndorferfilze/Filzenweg und Kragling/Lackermannweg errichtet. Weil das Landratsamt damals diese Unterkünfte anmieten konnte, stellte es seine Planungen für einen Container- Standort für bis zu 96 Personen ein. Die Gemeinderatsfraktionen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD reichten am 16. April 2024 einen Antrag zur Ermittlung von neuen dezentralen Standorten für die Unterbringung von Flüchtlingen im Gemeindegebiet ein. An diesen Standorten sollten Unterkünfte errichtet werden statt der Einrichtung der Großunterkunft an der Hofmühlstraße. Der Antrag wurde mit 17:5 Stimmen abgelehnt, da sich die heutige Situation aus mehreren Gründen anders darstellt als 2015/16:

  • Der Landrat hat bereits den Mietvertrag für das Objekt Hofmühlstraße unterschrieben. Dieser kann nicht gekündigt werden, wenn die Gemeinde als Alternative dezentrale Standorte errichtet. Neue dezentrale Standorte müssten daher zusätzlich zu der Großunterkunft mit 101 Personen errichtet werden.
  • 2015 beschloss der Gemeinderat, die dezentralen Unterkünfte nur dann zu errichten, wenn das Landratsamt zusätzlich zur Miete auch die kompletten Baukosten über die Laufzeit der Mietverträge an die Gemeinde zurückerstattet. Das Landratsamt hat jedoch mitgeteilt, dass es im Falle des Baus von neuen dezentralen Unterkünften nicht mehr die kompletten Baukosten der Gemeinde übernehmen würde.
  • Während der Flüchtlingskrise 2015/16 wurden die geltenden Vergaberechtsvorschriften für öffentliche Baumaßnahmen nahezu außer Kraft gesetzt. Heute müssten diese Vorschriften eingehalten werden, so dass der Bau dezentraler Unterkünfte erst 2026 abgeschlossen werden könnte.
  • Der Haushalt der Gemeinde für 2024 wurde erst im März beschlossen. Mittel für den Bau neuer Unterkünfte sind weder im Haushalt 2024 noch in der Finanzplanung ab 2025 enthalten. Die Investitionen würden den Haushalt zusätzlich belasten. Zunächst müsste ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden
  • Sollten direkt neben den 2015/16 errichteten Unterkünften weitere Unterkünfte errichtet werden, würde sich die Anzahl der dort untergebrachten Personen auf rund 50 erhöhen, was auch dem 2015/16 beabsichtigten kleinteiligen Konzept widersprechen würde.

 

Verfolgt die Gemeinde den 2015 begonnenen „Stephanskirchener Weg“ weiter?

Der 2015 begonnene „Stephanskirchener Weg“ zur dezentralen Unterbringung von Geflüchteten wird auch in der aktuellen Amtszeit des Gemeinderats fortgeführt:

  • Inzwischen wurden sechs der 20 Wohneinheiten, die 2015/16 errichtet wurden, bewusst nicht mehr an das Landratsamt Rosenheim vermietet, sondern direkt von der Gemeinde an formell anerkannte, integrierte Familien vermietet.
  • Die übrigen 14 Wohneinheiten wurden Anfang 2024 weiterhin an das Landratsamt zur Unterbringung von Geflüchteten weitervermietet.
  • 2022 wurde zudem ein in Gemeindebesitz befindliches Gebäude, die Villa Baumer in Schloßberg, an das Landratsamt vermietet, um dort Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine anzubieten.
  • Ebenfalls ist im Rathaus auch weiterhin der Sachbereich 18 (Asyl und Integration) mit Frau Plass ein wichtiges Angebot für geflüchtete Personen. 2023 wurde auch die Stelle des Hausmeisters für die Flüchtlingsunterkünfte neu besetzt.
  • Ende Februar 2024 waren laut Angaben des Landratsamtes in der Gemeinde Stephanskirchen 173 geflüchtete Personen untergebracht, wobei hier auch die ukrainischen Kriegsflüchtlinge und Personen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht miteingerechnet werden. Damit liegt die Gemeinde Stephanskirchen an 8. Stelle im Landkreis und kommt ihrer Verpflichtung zur Unterbringung von Geflüchteten nach.

 

Die Unterbringung von geflüchteten Menschen ist nach wie vor eine der großen Herausforderungen in Deutschland. Unsere Gemeinde steht zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Sollten sich – auch von privater Seite – Möglichkeiten zur kleinteiligen und dezentralen Unterbringung ergeben, bittet die Gemeindeverwaltung um Mitteilung an das Landratsamt Rosenheim.

 

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